Schematherapie
Die Schematherapie ist eine sehr hilfreiche Methode, um die Hintergründe von akuten Problematiken wie etwa Depressionen oder Ängsten besser verstehen zu können und ist in der Psychotherapie seit den 1990er-Jahren inzwischen weit verbreitet.
Klient*innen gelingt es mit Hilfe der Schematherapie besonders gut, wiederkehrende und tiefer liegende problematische Muster zu erkennen und zu verändern.
Die Schematherapie nach Jeffrey Young stellt eine moderne Erweiterung der Verhaltenstherapie dar und schließt verschiedene methodenübergreifende Einflüsse wie etwa die Bindungstheorie, humanistische Therapieformen (Gestalttherapie), die Transaktionsanalyse oder die Psychoanalyse ein.
Einen Mehrwert gegenüber der klassischen Verhaltenstherapie stellen insbesondere emotional aktivierende Verfahren unter direktem Einbezug der Erfahrungen aus Kindheit und Jugend dar.
Was ist ein Schema?
Der Begriff „Schema“ beschreibt ein eingeschliffenes Muster bestimmter Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen in bestimmten Situationen. Ein Schema wird in der Regel in der Kindheit angelegt und ist eng mit den Lebensumständen in dieser Zeit verknüpft. Die Aktivierung eines Schemas kann auch bei Erwachsenen zu starken, einnehmenden Gefühlen wie etwa Ärger, Angst oder Verlassenheit führen.
Jeffrey Young formulierte insgesamt 18 Schemata aus 5 Bereichen, welche empirisch und klinisch bestätigt sind:
1. Verlassenheit / Instabilität
2. Misstrauen / Missbrauch
3. Emotionale Entbehrung
4. Unzulänglichkeit / Scham
5. Soziale Isolierung / Entfremdung
6. Abhängigkeit / Inkompetenz
7. Anfälligkeit für Schädigung oder Krankheit
8. Verstrickung / unterentwickeltes Selbst
9. Versagen
10. Anspruchshaltung / Grandiosität
11. Ungenügende Selbstkontrolle / Disziplin
12. Unterwerfung
13. Selbstaufopferung
14. Streben nach Zustimmung und Anerkennung
15. Negativität / Pessimismus
16. Emotionale Gehemmtheit
17. Unerbittliche Ansprüche
18. Strafneigung
Die Kombination der verschiedenen Methoden der Schematherapie soll zu einer Stärkung des sogenannten „gesunden erwachsenen“ Anteils führen.
Dieser hilft uns dabei, mehr Kompetenzen im Umgang mit anderen Menschen und mit unseren eigenen Gedanken, Bedürfnissen, Emotionen und Impulsen zu erlangen.
In zahlreichen Studien hat sich die Schematherapie als wirksam erwiesen, bei z. B. bei Interaktionsstörungen, Depressionen und Ängsten.
Gemeinsam mit Ihnen möchte ich verstehen, welche Bedürfnisse in Ihrer Kindheit und Jugend nicht angemessen erfüllt wurden, welche dysfunktionalen Schemata daraus folgten, wie diese Schemata Sie heute einschränken und wie Sie Ihre heutigen Bedürfnisse angemessen umsetzen können.
Fiktives Fallbeispiel:
Frau K. stellt sich aufgrund von Niedergeschlagenheit, Zukunftsängsten und Konzentrationsproblemen beim Lernen für ihr Studium (Soziale Arbeit) zur ambulanten Psychotherapie vor. Nach einigen Sitzungen konnte über klärende Gespräche und Fragebögen das Schema „Versagen“ herausgearbeitet werden:
Schema „Versagen“
Die Überzeugung, auf der Leistungsebene versagt zu haben, versagen zu werden oder im Vergleich zu Gleichaltrigen auf der Leistungsebene stark unterlegen zu sein.
In der biografischen Arbeit zeigte sich, dass Frau K. als drittes Kind von beruflich sehr erfolgreichen Eltern geboren wurde. Ein Übertritt auf das Gymnasium wie bei den beiden älteren Brüdern war für die Eltern trotz gerade so ausreichender Noten selbstverständlich. In der Schulzeit musste sich die junge Frau K. besonders anstrengen und erhielt dennoch nur mäßige Noten, die von den Eltern entweder abschätzig kommentiert oder nicht beachtet wurden. Im anschließenden Studium verstärkten sich Selbstzweifel und Angst vor dem Versagen in einer Art und Weise, dass ein produktives Lernen kaum mehr möglich war.
Ein wichtiger Bestandteil der Therapie war für Frau K. ihr Schema „Versagen“ bewusst wahrzunehmen und dessen Ursprung in der Biografie zu verstehen. In der Arbeit mit prägenden Situationen als Kind mit den Eltern erkannte sie ihren damals nicht erfüllten Wunsch nach Zuspruch und Bestätigung durch die Eltern und die Unsicherheiten und Ängste die in der Folge entstanden. Über die Therapiestunden hinweg gelang es ihr immer besser, sich selbst unabhängig von ihren Erfolgen zu würdigen und zu akzeptieren, nach dem Motto: „Es reicht, wenn du es so gut machst, wie du kannst“. Frau K. erlebte es außerdem als entlastend und bereichernd, anderen wichtigen Lebensinhalten wie Kreativität und sozialen Beziehungen nachzugehen. Folglich konnte sie sich beim Lernen von der Angst vor dem Scheitern lösen, jeweils kleine Lernfortschritte wertschätzen und wieder ihre Begeisterung für die Soziale Arbeit spüren.
Literatur:
Roediger, Eckhard (2016): Schematherapie. Grundlagen, Modell und Praxis, 3. Aufl., Stuttgart.
Valente, Mathias/Roediger, Eckhard (2020): Schematherapie, 1. Aufl., Stuttgart.